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21. Juli - Gedenktag für verstorbene Drogengebrauchende

2021-07-16

Drogentod vermeiden – Substitutionsbehandlung individualisieren

Aidshilfe Düsseldorf e.V. zum Gedenktag für verstorbene Drogengebraucher*innen

Düsseldorf, 21. Juli 2020 – 401 Menschen sind in NRW im vergangenen Jahr an den Folgen ihres Drogenkonsums verstorben. Die Drogentodesfälle sind damit 2020 um 37 Prozent im Vergleich zu 2019 gestiegen – auch eine Folge von zeitweise weggebrochenen Unterstützungsangeboten in der Corona-Pandemie, so die Einschätzung der Bundesdrogenbeauftragten Daniela Ludwig. In Düsseldorf sind im vergangenen Jahr mindestens 40 Menschen an Drogen-bedingten Folgen verstorben. Hierauf weist die Aidshilfe Düsseldorf anlässlich des Internationalen Gedenktags für verstorbene Drogengebraucher*innen am 21. Juli hin.

Eine der effektivsten Maßnahmen nicht nur zur Prävention von HIV- und Hepatitis-C-Infektionen, sondern auch um das Risiko eines Drogen-bezogenen Todesfalls zu reduzieren, ist die Substitutionsbehandlung. Aktuell wird jedoch nur ca. die Hälfte aller Menschen in Deutschland, die Heroin und andere Opiate konsumieren, tatsächlich substituiert.

„Die Substitution muss bedarfsgerecht, niedrigschwellig und individualisiert sein“, erklärt Özgür Kalkan, Geschäftsführer. „Die erneut dramatisch gestiegene Zahl der Drogentodesfälle im letzten Jahr hat gezeigt, dass wir immer noch nicht genug Menschen mit einer Substitutionsbehandlung und flankierenden Angeboten erreichen. Auch nach der Pandemie muss die Angebotspalette dringend aufrechterhalten, ausgebaut und den Lebensrealitäten drogengebrauchender Menschen angepasst werden.“

Die Substitution mit Diamorphin (die sogenannte „Originalstoffvergabe“) beispielsweise ist ein wichtiger Beitrag zur Individualisierung der Therapie, die immer noch viel zu wenige drogengebrauche Menschen erreicht. Die Zahl der Diamorphin-Ambulanzen ist zwar in den letzten Jahren in NRW angewachsen. Dennoch hängt der Zugang zur Versorgung – bei gerade mal fünf, bald sechs Praxen im Land – hier noch stärker als sonst vom Wohnort ab. Neben dem räumlichen Zugang muss auch die Träger- und Angebotsvielfalt gewährleistet bleiben. Ob in privater, freier oder kommunaler Trägerschaft – alle Modelle tragen in ihrer Gesamtheit zu einem niedrigschwelligen Zugang für die substituierten Patient*innen bei. Damit ein Angebot mit Diamorphin sich auch für nicht-kommerzielle Anbieter trägt und rechnet, müssen jedoch die Aufbau- und Zulassungshürden deutlich gesenkt werden.

Der Zugang zur Substitutionsbehandlung für Menschen ohne Krankenversicherung ist ein weiterer essenzieller Baustein, um eine besonders gefährdete Zielgruppe sozial wie gesundheitlich stabilisieren zu können. Hamburg ist hier im letzten Jahr durch das unbürokratisch realisierte Modell der niedrigschwelligen Substitutionsambulanz mutig vorangeschritten – ein Modell, das zahlreichen Menschen nicht nur den Weg in die Substitutionsbehandlung, sondern schließlich auch in die Krankenversicherung geebnet hat. Diesem Beispiel sollten andere Bundesländer unbedingt folgen. Auch nach Corona können Angebote dieser Art eine sinnvolle Ergänzung sein, um diese ansonsten schwer erreichbare und stark benachteiligte Gruppe in die Versorgung zu bringen.

Die Substitution in Haft ist eine weitere Herausforderung. NRW ist zwar bundesweit Spitzenreiter, was die Substitutionsquote im Vollzug angeht. Ein Skandal bleibt aber, dass die Substitution in Haft vielfach immer noch als Maßregel- und Sanktionierungsinstrument missbraucht wird. Der Zugang oder die Weiterführung der Behandlung sowie Wahl und Dosierung des entsprechenden Medikaments hängen viel zu oft vom guten Willen der Anstaltsärzt*innen ab. Insbesondere beim Übergang von Haft in die Freiheit ist eine nahtlose Substitution sicherzustellen, um Überdosierungen an dieser nachweislich besonders gefährlichen Schnittstelle vorzubeugen.

Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig schadensmindernde und stabilisierende Angebote von Aids- und Drogenhilfen sind. Neben der rein medizinischen Komponente der Substitution trägt für viele auch die Psychosoziale Begleitung (PSB) zur Stabilisierung bei. Die PSB muss nachhaltig abgesichert und finanziert werden – für die, sie sie möchten und benötigen. Weitere wirksame und evidenzbasierte Instrumente sind längst bekannt: bedarfsgerechte Vergabe von Spritzen und weiterem Zubehör zum Konsum (auch in Haft), Drogenkonsumräume, der Ausbau niedrigschwelliger HIV- und Hepatitis-C-Beratungs- und Testangebote inklusive Überleitung in die Behandlung, die Vergabe des Notfallmedikaments Naloxon und analysegestützte Beratungsmodelle (Drug Checking).

Der 21. Juli bietet sowohl einen Rahmen für individuelles Gedenken an verstorbene Freund*innen als auch die Gelegenheit, für die drogenpolitischen Missstände zu sensibilisieren, die für das Sterben mitverantwortlich sind. In Düsseldorf möchte die Aidshilfe Düsseldorf gemeinsam mit dem Caritasverband Düsseldorf e.V., der Diakonie Düsseldorf e.V., der Düsseldorfer Drogenhilfe, dem Flingern mobil e.V. und dem Sozialdienst katholischer Frauen und Männer e.V. sowie JES Düsseldorf durch einen Gedenkgottesdienst 12 Uhr in der Elisabethkirche am Vinzenzplatz und einer kleinen Aktion auf dem Worringer Platz und eine Videoinstallation im PALACE, ebenfalls auf dem Worringer Platz auf den Gedenktag für verstorbene Drogengebraucher*innen aufmerksam machen. Alle Infos zum Termin in Düsseldorf finden Sie auf der Seite der Aidshilfe Düsseldorf bzw. auch hier.

Eine bundesweite Übersicht über Aktionen und Veranstaltungen sowie weiterführende Informationen finden Sie unter gedenktag21juli.de.